Das Gebäude ist alt, das Kino neu. Die Kulturbrauerei im Prenzlauer Berg ist zum attraktiven Kulturstandort geworden, mit Musik und Theaterangeboten und einem Kinocenter im alten Backsteinbau.
Angefangen hatte es im 19. Jahrhundert mit einem kleinen Bierlager in der Schönhauser Allee 39, das der Chemiker und Apotheker August Heinrich Prell gekauft hatte. In Mitte betrieb er einen Braubetrieb mit Ausschank. 1853 übernahm Jobst Schultheiss das Geschäft und eröffnet auch im Prenzlauer Berg einen Ausschank. Die Geschäfte entwickelten sich gut, aus gesundheitlichen Gründen verkaufte Schultheiss allerdings 1864 den Betrieb an den Hoflieferanten Adolf Roesicke, der den eingeführten Namen beibehielt. Die Produktion wurde umgestellt – statt obergärigem Bier wurde dem Trend entsprechend nun untergäriges produziert. Während beim Brauen des obergärigen, etwa dem Weißbier, die Hefe oben auf dem Sud schwimmt, sinkt sie beim untergärigen, zum Beispiel dem Pils, das bei niedrigeren Raumtemperaturen gebraut wird, auf den Boden des Sudkessels.
Roesicke kaufte anliegende Grundstücke an der Schönhauser Allee dazu. 1880 wurde das Flaschenbier eingeführt. Dessen Siegeszug beschrieb der spätere Außenminister Gustav Stresemann 1901 in seiner Doktorarbeit „Die Entwicklung des Berliner Flaschenbiergeschäfts“. Auch bei Schultheiss stiegen Umsatz und Mitarbeiterzahlen. Der Architekt Franz Schwechten (1841 – 1924), Königlicher Baurat, der zuvor den Anhalter Bahnhof und die Kriegsakademie entworfen hatte, bekam Mitte der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts den Auftrag, auf dem Gelände an der Schönhauser Allee eine neue Produktionsanlage der Schultheiss-Brauerei zu errichten. Entstanden ist auf 25.000 Quadratmetern ein beeindruckendes Industrie-Ensemble mit insgesamt sechs Höfen und über 20 Gebäuden. Sudhaus, Gärräume und Lagerkeller wuren geplant, 1892 kam ein Gartenlokal dazu. 1899 wurde das Schultheiss-Logo eingeführt.
Die Schultheiss-Brauerei steigerte ihren Umsatz und kaufte weitere Brauereien hinzu. Als 1920 eine Fusion mit der Patzenhofer-Brauerei AG vollzogen wurde, entstand die weltgrößte Lagerbierbrauerei.
Im 2. Weltkrieg mussten Kriegsgefangene als Zwangsarbeiter Dienst tun. Sie waren in einem Lager im Stall 9 untergebracht. In den Tiefkellern wurden ukrainische Zwangsarbeiterinnen für die Rüstungsproduktion von Telefunken eingesetzt. Ein Tiefkeller diente im April und Mai 1945 auch als Zentrale für den Stab des Befehlsabschnitts H der „Festung Berlin“, der den Kampf gegen die voranrückenden sowjetischen Truppen noch führte, als in anderen teilen der Stadt der Kreig schon beendet war. Fanatische SS-Mitglieder und Nationalsozialisten erhängten Soldaten, die nicht weiterkämpfen wollten oder erschossen Anwohner, die eine weiße Flagge gehisst hatten. Über 100 Tote wurden im Vorgarten begraben und im Herbst 1945 umgebettet.
Die Brunnen auf dem Gelände dienten 1945 der Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser. Teilweise wurden Anlagen der Brauerei von Sowjets demontiert, im Oktober erfolgte die Umwandlung in einen volkseigenen Betrieb und die Produktion wurde wieder aufgenommen. 1967 waren die Anlagen verschlissen. und der Betrieb wurde eingestellt. Anfang 1970 öffnete im früheren Verwaltungstrakt der Brauerei der Franzclub, formal der Jugendclub Erich Franz, der Ost-Berliner Bands Auftrittsmöglichkeiten bot und nach der Wende – bis zur Schließung 1997 – eine wichtige Adresse im Berliner Partyleben wurde. Seit 2004 erinnert das Restaurant frannz in der Kulturbrauerei mit seinem frannz-Club an die früheren Zeiten.
Der schon 1974 unter Denkmalschutz gestellte Komplex der ehemaligen Brauerei wurde 1990 von der Treuhand übernommen. Ein Jahr später wurde der gemeinnützige Verein Kulturbrauerei gegründet, der die kulturelle Nutzung des Areals plante. Die Versuche der Treuhand, die baufälligen Gebäude mit der Auflage eines günstigen Mietpreises für den Verein Kulturbrauerei zu verkaufen, scheiterten allerdings 1993 und 1995. Ab 1996 entwickelte die Treuhandliegenschaftsgesellschaft ein Modell für die Nutzung, das für die kulturellen Angebote des Vereins nur noch halb so viel Raum vorsah. Kommerzielle Angebote, Restaurants, Einzelhandel, Büros und ein Kino, sollten die Kosten der Sanierung mittragen helfen. Engagierter Unterstützer war der in der Nachbarschaft wohnende SPD-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Thierse, der enge Verbindungen zur Kulturszene im Prenzlauer Berg hatte..
Widerstand gegen das Projekt kam von Arthur Brauner, dem Berliner Filmproduzenten, der das nahe gelegene Multiplex-Kino Colosseum betrieb und Sorge um dessen Wirtschaftlichkeit hatte. Er setzte sich nicht durch, am 16. September 1998 erfolgte der erste Spatenstich, 1999 zogen die ersten Mieter ein.
Das Kino in der Kulturbrauerei eröffnete am 2. März 2000. Im ehemaligen Sudhaus waren 8 Kinosäle mit insgesamt 1511 Plätzen entstanden. Die kleinsten Säle haben 62 Plätze, der größte (Kino 3) 450. Betreiber „Village Cinemas“, ein australischer Konzern, versprach ein anspruchsvolles Programm, zog sich aber schon bald darauf zurück. Im November 2000 übernahm die Kinowelt Medien AG den Betrieb, 2002 wurde daraus ein Kino der Ufa-Theater AG, die im Oktober 2002 in die Insolvenz ging. Seit 2003 betreibt Cinestar das Multiplex im alten Industriebau.
Kino in der KulturBrauerei – Berlin
Schönhauser Allee 36, 10435 Berlin
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