„Kunst Nacht & Tag“ in den Gerichtshöfen

Gerichtshöfe im Wedding: Künstlerinnen und Künstler öffnen ihre Ateliers. Foto: Ulrich Horb
Gerichtshöfe im Wedding: Künstlerinnen und Künstler öffnen ihre Ateliers. Foto: Ulrich Horb

Wie eng beieinander Wohnen und Arbeiten vor 100 Jahren lagen, zeigen anschaulich die sechs Hinterhöfe an der Weddinger Gerichtstraße 12. Heute arbeiten in den „Gerichtshöfen“ neben einigen Handwerksbetrieben zahlreiche Künstlerinnen und Künstler. Am Wochenende vom 19. und 20. September öffnen sie unter dem Motto „Kunst Nacht & Tag in den Gerichtshöfen“ ihre Ateliers, am Sonnabend von 16 Uhr bis Mitternacht, am Sonntag von 13 bis 18 Uhr.

Die Gerichtshöfe in der Weddinger Gerichtstr. 12 wurden 1912 zwischen der Wiesenstraße und der Gerichtstraße für die Chemische Fabrik J.D. Riedel AG errichtet, die hier bereits seit 1860 in verschiedenen Gebäuden untergebracht war. Die Firma stellte Glühstrümpfe für die Berliner Gaslaternen sowie den Arzneistoff Chinin her.

Seit den 1980er Jahren, als der Leerstand bei den Gewerberäumen zunahm, vermietet die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Gesobau in den sechs Höfen mit ihren Seitenflügeln und Quergebäuden Atelierräume an Künstlerinnen und Künstler. Heute gibt es in den Gerichtshöfen eine Mischung von Wohnen, Gewerbe und 70 künstlerisch genutzten Räumen. So befinden sich hier u.a. Handwerksbetriebe wie Schreinerei, Schlosserei und Goldschmiede, in den Atelierräumen arbeiten Fotografinnen und Fotografen, Bildhauer, Malerinnen und Maler, Kostümbildner. Die Räume sind mit ihren stabilen Betonböden ideal für unterschiedliche Nutzung und starke Lasten.

Seit acht Jahren hat sich die Situation verändert, weil die Gesobau Pläne zum Bau von Studentenwohnungen bzw. Lofts hat. Handwerksbetriebe und Künstlerinnen und Künstler erhalten inzwischen nur noch Mietverträge für jeweils ein Jahr. Die daraus entstehende Unsicherheit hat bereits einige Mieterinnen und Mieter zur Aufgabe gezwungen. Handwerksbetriebe stellen keine Lehrlinge ein und investieren nicht mehr, weil sie nicht wissen, ob sie den Betrieb im Folgejahr fortsetzen können.

Auch für die Künstlerinnen und Künstler sind die kurzen Mietverträge belastend. Alternativen sind in Berlin für sie schwierig zu finden, Ateliers außerhalb Berlins führen zu langen Fahrtzeiten, was zu Lasten der künstlerischen Arbeit geht. Die Zusammenarbeit und der Austausch zwischen Handwerk, Kunsthandwerk und Künstlerinnen und Künstlern und der Standort Wedding bieten große Vorteile. Der 2004 gegründete Verein „Kunst in den Gerichtshöfen e.V.“ hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Veranstaltungen etwa zur Langen Nacht der Museen organisiert und öffnet die Gerichtshöfe zu festgelegten Terminen für Atelierbesuche.

In diesem Jahr öffnen 34 Künstlerinnen und Künstler ihre Ateliers, 16 Gastkünstler zeigen in einer Gastetage ihre Arbeiten. Unter Corona-Bedingungen sind Laufwege gekennzeichnet und Abstandsregeln einzuhalten. Aber für die Künstlerinnnen und Künstler, denen durch Corona in diesem Jahr viele Messen, Ausstellungen und Präsentationsmöglichkeiten entfallen sind, ist es eine der wenigen Möglichkeiten, Einblicke in die Vielfältigkeit ihres Schaffens zu geben.

„Kunst Nacht & Tag in den Gerichtshöfen“, Gerichtstr. 12–13, 13347 Berlin, Samstag, 19. September 2020,  16.00–24.00 Uhr und Sonntag, 20. September 2020, 13.00–18.00 Uhr.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert