Aida in der Deutschen Oper

Deutsche Oper Berlin. Foto: Ulrich Horb
Deutsche Oper Berlin. Foto: Ulrich Horb

Die Dekoration ist nüchtern. Keine farbenfrohen orientalischen Gewänder, keine Sandalen. Die Pyramiden sind gerade mal auf einer Postkarte zu sehen, die nebst einigen anderen Gegenständen auf einem Tisch auf der Bühne liegt und von dort per Kamera auf eine Leinwand über der Bühne projiziert wird. Dafür bringt die Aida-Inszenierung, die in der Deutschen Oper Berlin seit dem 22. November 2015 zu sehen ist, ein einzigartiges Klangerlebnis: Die Zuschauer befinden sich mitten im Chor. Oder anders herum: der Chor mitten unter den Zuschauern.

Die Kritiken zur Neu-Inszenierung Benedikt von Peters sind ausgesprochen unterschiedlich ausgefallen. „Für mich – vor der Pause – der schlimmste Abend des Jahres“, klagt Kai Luehrs-Kaiser im kulturradio des rbb . „Und so laut, dass die Löcher aus dem Käse fliegen.“ Aber, so tröstet er sich, früher seien sogar vier bis sechs „derart halbgare Produktionen“ pro Jahr verpufft. Im Internet-Blog „Oper aktuell“ fällt das Fazit von Kaspar Sannemann positiver  aus: „Ungewöhnliche szenische Lesart, auf die man sich einlassen wollen muss, die dann aber durchaus ihre spannenden und interessanten Aspekte hat, klanglich ein überwältigendes Surround-Sound Erlebnis.“ Die Premiere hat auch das Publikum im Zwiespalt zurückgelassen. „Es wird heftig gebuht und heftig gejubelt. Spätestens dieser Tumult machte deutlich, dass von Peter etwas Großartiges gelungen ist“, notiert Clemens Haustein in der Berliner Zeitung.

Normalerweise ist es in Berlin die kleine Neuköllner Oper, die große Werke in minimaler Besetzung auf die Bühne bringt. Nun kommt Aida auch in der Deutschen Oper erst einmal als Drei-Personen-Stück einher. Alfred Kim als „Radames“, Anna Smirnova als „Amneris“ und Tatiana Serjan als Aida bewegen sich auf einer kleinen Vorbühne, die den Orchestergraben verdeckt, mit einer Rampe, die in den Zuschauerraum ragt. Es ist ein Beziehungsdrama, das sich zwischen den drei abspielt. Radames, in Straßenkleidung, umsorgt von einer handfesten, lebensnahen und liebenden Amneris, daneben Aida als eine Art verführerisches Traumgespinst. Hinter den drei, dort, wo die eigentliche Bühne ist, sieht man – hinter einem Gaze-Vorhang in warmes Licht getaucht – das Orchester und mit Andrea Battistoni einen agilen und weit ausholenden Dirigenten. Bis zum Schlussapplaus bleibt der Blick der Zuschauer konzentriert auf die drei Personen im Vordergrund, erst dann füllt sich die Bühne und es wird sichtbar, wie viele Beteiligte diese Inszenierung tatsächlich hatte.

Um die Dreiecksgeschichte von der unerfüllten Liebe zu erzählen, hat Benedikt von Peters konsequent alle anderen Verdi-Figuren von der Bühne verbannt. Pharao und Priester, Volk und Gefangene, sie alle erheben ihre Stimmen vom Rang aus oder inmitten des Zuschauerraums. Radames und Amneris leben wie ein altes Ehepaar auf der Bühne, stets sichtbar, selbst wenn er eigentlich gerade die Armee in den Kampf führt. Aida ist den beiden mal mehr und mal weniger nah. Eine Geschichte, wie sie wohl auch Verdi erlebt hat. Zur Zeit der Entstehung von Aida ging im Haus des Komponisten und seiner Frau die junge Sängerin Teresa Stolz ein und aus.

Von Peters erzählt zwei Geschichten in einer. Manchmal fällt die Zuordnung schwer. Die musikalischen Effekte aber sind überwältigend. Der Chor, der sich inmitten des Zuschauerraums erhebt, hat etwas gefährlich Mitreißendes an sich. lässt das Publikum zum Teil der Masse werden, des Volkes, der Priester. Ein Erlebnis, das sich nicht als Bild – oder Tonaufzeichnung vermitteln  lässt, sonderm nur live so zu erleben ist.

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