„La Bohème“ in der Komischen Oper

Komische Oper in der Behrenstraße. Foto: Ulrich Horb
Komische Oper in der Behrenstraße. Foto: Ulrich Horb

Das graue Bühnenbild strahlt eisige Kälte aus. Die vier Künstlerfreunde aus Puccinis „La Bohème“, von Barrie Kosky an der Komischen Oper Berlin Ende Januar 2019 neu in Szene gesetzt, frieren in ihrer Mansarde.  Es ist eine anrührende Geschichte, die Puccini 1896 in Turin erstmals auf die Bühne brachte und die seitdem zu den meistgespielten Opern gehört. Kosky erzählt sie mit einfachen, aber wirkungsvollen Mitteln.

Sie sind jung, sie lieben das Leben, zahlen können andere. Barrie Kosky zeigt die Jugend, die voller Kraft und Kreativität steckt, die sich vom bürgerlichen Leben absetzt.

Das Bühnenbild führt in die Frühzeit der Fotografie, als Bilder auf Metallplatten festgehalten wurden.  Die Ferrotypie ist eine Erfindung aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, der Zeit, in der „La Bohème“ spielt.   Solche überdimensionalen grauen Platten mit Bildmotiven hat Rufus Didwiszus im Hintergrund montiert.   Und so ist denn in dieser Inszenierung   der Komischen Oper Marcello kein Maler wie in Puccinis Fassung, sondern ein Fotograf, der immer wieder mit seiner Holzkamera Szenen des Lebens der Künstler festhält, Äußerlichkeiten, gerade so wie heute Selfies inszeniert werden.    


Trailer der Komischen Oper auf YouTube

Aber es ist nicht nur die Geschichte der vier jungen Künstler, des Schriftstellers Rodolfo, des Fotografen  Marcello, des Philosophen Colline und des Musikers Schaunard, dessen Verdienst zumindest für den Moment für ausreichend Wein, Essen und Brennholz sorgt. Es ist auch die Geschichte von Musetta und vor allem von der todkranken Mimi. Jugend trifft Liebe und Vergänglichkeit.  Gefühle jenseits der Äußerlichkeiten.

Die Liebesgeschichte zwischen Rodolfo und Mimi entspinnt sich schnell innerhalb des ersten Bildes. Rodolfo ist im Zimmer geblieben, um noch zu schreiben, während die Freunde vorgegangen sind, um im Cafe Momus zu feiern. Mimi, die Nachbarin verirrt sich zu Rodolfo, im Dunkeln hat sie ihren Schlüssel verloren. Beide erzählen von ihrem Leben, von ihren Träumen.

Überbordend mit Chorsolisten und Kinderchor ist dann die Feier im Quartier Latin inszeniert, auf der Rodolfo und Mimi die Freunde  wiedertreffen. Es ist ein rauschendes Fest, bei dem Rodolfo seiner Mimi ein rosa Häubchen schenkt und Marcello seiner  früheren Geliebten Musetta wiederbegegnet. Musettas wohlhabender älterer Begleiter  wird fortgeschickt, ihm obliegt es später die Zeche zu zahlen, während Musetta zu Marcello zurückkehrt.

Komische Oper in der Behrenstraße, Treppe zum Foyer. Foto: Ulrich Horb
Komische Oper in der Behrenstraße, Treppe zum Foyer. Foto: Ulrich Horb

Das dritte Bild zeigt einige Wochen später Rodolfo und Mimì sowie Marcello und Musetta in einem Gasthaus am Stadtrand.  Rodolfo hat Mimi verlassen. Den wahren Grund erfährt die im Hintergrund lauschende Mimi aus einem Gespräch zwischen Marcello und Rodolfo:  Rodolfo wünscht der schwindsüchtigen Geliebten  einen reichen Verehrer, der ihr, anders als er selbst, ein besseres Leben bieten kann. Die Trennung, so sind sich Mimi und Rodolfo einig, soll im Frühjahr erfolgen.

Das vierte Bild führt zurück in die triste Mansarde. Die todkranke Mimi kehrt zurück, die Freunde opfern ihren letzten Besitz, um Mimi Medizin und Handschuhe gegen die kalten Hände zu besorgen.  Ein letztes Foto entsteht, Mimi, aufrecht auf einem Stuhl sitzend, stirbt. Ganz ohne Drama, und gerade deshalb bewegend.

Es  ist Puccinis vierte Oper, entstanden nach der Lektüre von Henri Murgers  „Scènes de la vie de bohème“.  Musik und Text verschmelzen zu einer Einheit, Klänge unterstreichen die Bilder. „Puccini“, so Barrie Kosky, „steht mit beiden Beinen im 20. Jahrhundert, auch wenn die Uraufführung 1896 stattfand.“ La Bohème lebe „von einer emotionalen Fülle und Komplexität, die man im 19. Jahrhundert manchmal vermisst“. 

Die Kosky- Inszenierung an der Komischen Oper kommt ohne Sentimentalität aus, Geschichte und Musik wirken für sich. Langer Applaus nach gut zwei Stunden.

Komische Oper, Behrenstr. 55–56. Tel. 47 997 400
Kartenpreise: 12 – 82 Euro
Nachste Aufführungstermine: Spielplan der Komischen Oper

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