Dunkelrotes Licht überzieht die Kuppel des Berliner Doms, das Eingangsportal ist in helles Blau getaucht. Das Bild wechselt, Figuren scheinen auf der Fassade erkennbar. Dann tauchen rote Herzen auf.
Berlin steht in den ersten zwei Oktoberwochen ganz im Zeichen der beiden Lichterfeste „Berlin leuchtet“ und „Festival of Lights“. Hunderte Menschen haben sich abends um 19 Uhr im Lustgarten versammelt, beobachten die in helles Licht getauchte Fontäne des Brunnens vor dem Alten Museum und das Wechselspiel der Projektionen auf dem Dom. Zwölf verschiedene Motive erscheinen nach und nach. Für die Begleitmusik sorgt ein Gitarrenspieler am Eingang zum Lustgarten: „Come on Baby, light my fire.“
Ein paar Meter von ihm entfernt nutzt ein Verkäufer die Chance: Vier grüne Bierkästen hat er vor sich stehen, aus denen heraus er die Flaschen an die vorbeiströmenden Schaulustigen verkauft. Andere fliegende Händler haben sich am Rand der Grünanlage aufgebaut, verkaufen Leuchtstäbe und kleine leuchtende Bumerangs, die hoch in die Luft aufsteigen und dann, meistens jedenfalls, in die Hand des Verkäufers zurückkehren. Fahrrad-Rikschas klingeln sich den Weg frei, auch sie geschmückt mit Lichterketten.
Zwischen Brandenburger Tor und Fernsehturm, der Hauptroute der beiden Lichterfeste, bewegen sich unaufhaltsam Ströme von Menschen, die aneinander vorbeifließen, sich ausweichen, sich durchdringen, eigens angereiste Touristinnen und Touristen und Berlinerinnen und Berliner, eine Vielfalt der Sprachen. Von vielen Seiten ertönt die Musik von Straßenmusikanten, immer wieder andere Stilrichtungen, andere Instrumente. Einige bieten ihre CDs an, die vor ihnen auf dem Boden liegen.
2015 beteiligen sich auch das etwas zurückgesetzte Palais am Festungsgraben neben dem Gorki-Theater und die Humboldt-Universität gegenüber vom Bebelplatz am Festival of Lights. Die Gebrüder Humboldt erscheinen in neuem Licht: Auf der Fassade der Juristischen Fakultät symbolisiert die Projektion die Spanne zwischen Urknall über die Entstehung der Sonnen und Planeten bis hin zu den Galaxien am Ende des Universums.
Eine beleuchtete Pferdekutsche mit Touristen fährt auf den Bebelplatz. Die Front des Hotel de Rome wechselt die Farben, ein gleißender Lichtstrahl ist von der Baustelle der Staatsoper auf die gegenüberliegende Alte Bibliothek gerichtet ist.
In den Parallelstraßen wird es ruhiger und dunkler, bis sich nach ein paar Minuten der Blick auf den Gendarmenmarkt öffnet. Konzerthaus, Deutscher und Französischer Dom gehören seit den ersten Lichterfesten zu den glanzvollsten Orten.
Die meisten Wanderer beenden ihre Tour am Brandenburger Tor, das am Pariser Platz alle paar Minuten in eine dreiminütige Lichtinstallation getaucht wird. Etliche hundert Menschen verfolgen jede dieser Shows. Von hier aus könnte der Weg weiter zur Siegessäule führen, an der die Strahlen ihren Weg hinauf zum goldenen Engel suchen. Oder zum Potsdamer Platz, wo eine Ton- und Videoinstallation die Zuschauerinnen und Zuschauer empfängt, davor ein leuchtendes Kartenhaus. Wenige Schritte weiter, am Marlene-Dietrich-Platz, stehen die „Angels of Freedom“, große Engelsflügel, unter deren leuchtenden Heiligenschein sich jeder für ein Foto stellen kann, egal ob Engel oder nicht.
Etwas ruhiger ist es in den westlichen Bezirken, wo die einzelnen Stationen weiter entfernt voneinander liegen. Hier sind es etwa der leuchtende Funkturm, das rbb-Fernsehzentrum, das Schöneberger Rathaus, von deren Fassadenfront John F. Kennedy und Willy Brandt grüßen, oder das Theater des Westens, die die Besucher anziehen.
Viel Licht und grelle Farben geben der nächtlichen Stadt ein neues Aussehen. Nach vierzehn Tagen – bei den Installationen zum „Festival of Lights“ ist es nur gut eine Woche – ist der Zauber vorbei. Berlin leuchtet wieder auf seine alltägliche Weise.
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