Lange war am Konzept gefeilt worden, am 10. Februar 2022 wurde nun die 72. Berlinale feierlich eröffnet, als Internationales Filmfest mit rotem Teppich und in Präsenz, aber pandemiebedingt nur mit der Hälfte des üblichen Publikums. Die internationale Jury mit Jurypräsident M. Night Shyamalan („The Sixth Sense“) hat die Auswahl zwischen 18 Filmen, die im Wettbewerb um den Goldenen Bären stehen. Die Eröffnungsveranstaltung strahlte vor allem eine Botschaft aus: Der Film lässt sich von der Pandemie nicht unterkriegen.
Steigende Corona-Fallzahlen hatten die Berlinale bis zum Schluss infrage gestellt. Letztlich startete das Filmfest, das am 20. Februar endet, mit strengen Hygieneregeln. „Die Berlinale gehört seit über 70 Jahren zu unserer Stadt, belebt die Kinosäle und vor allem die Herzen des Publikums, so Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey. „Für den Februar 2022 können wir festhalten: Die Berlinale findet statt. Besonders die Kultur-, Film- und Kinobranche hat unter zwei Jahren Pandemie sehr gelitten. Durch den unermüdlichen Einsatz der Berlinale-Leitung unter Mariette Rissenbeek, Carlo Chatrian und ihrem Team, sowie durch intensive Abstimmungen zwischen Berlinale, Bund und dem Land Berlin, ist es gelungen, die 72. Internationalen Filmfestspiele unter Corona-Bedingungen auf die Beine zu stellen. Das ist ein starkes Zeichen – für Berlin, für die Berlinerinnen und Berliner und Gäste sowie für die gesamte Filmbranche und die Kultur insgesamt.“
2021 hatte die Berlinale coronabedingt in zwei Teilen stattgefunden: mit einer digitalen Plattform für die Filmbranche im Frühjahr und einem Publikumsfestival in Freiluftkinos im Sommer. Lange Zeit blieben Kinosäle geschlossen, Dreharbeiten gestalteten sich schwieriger. Die Pandemie hat nicht nur wirtschaftlich Spuren in der Filmindustrie hinterlassen, sie ist auch Filmthema, etwa im Dokumentarfilm „Für die Vielen“ von Constantin Wulff über die Arbeiterkammer Wien im Berlinale-Forum. Im Film „La edad media“ von Luciana Acuña und Alejo Moguillansky, zeigt sich ein Paar aus Argentinien in seinem eigenen Haus mit Kind und Hund. „Es werden dort Fragen aufgeworfen, um die wir uns nicht drücken können, so Sektionsleiterin Cristina Nord: „Wie und für wen produziert man Kunst, wenn es kein Publikum gibt oder das Publikum zuhause am Bildschirm sitzt? Was ist Kunst in diesen pandemischen Zeiten? Was wäre postpandemische Kunst?“
Mit stehendem Applaus wurden Vertreterinnen und Vertreter der Pflegeberufe sowie Ärztinnen und Ärzte der Charité auf der Eröffnungsgala begrüßt. Während der Berlinale gelten Abstandsregeln und Maskenpflicht, Besucherinnen und Besucher müssen die 2Gplus-Regeln erfüllen und Tickets online buchen. Kinosäle sind nur zur Hälfte belegt. Partys finden nicht statt.
Eröffnet wurde die Berlinale mit François Ozons „Peter von Kant“, einem Liebesdrama, das Fassbinders Thema aus den „Bitteren Tränen der Petra von Kant“ aufgreift.
Die Wettbewerbsfilme 2022 insgesamt:
A E I O U – Das schnelle Alphabet der Liebe von Nicolette Krebitz
Alcarràs von Carla Simón
Avec amour et acharnement (Both Sides of the Blade) von Claire Denis
Call Jane von Phyllis Nagy
Drii Winter (A Piece of Sky) von Michael Koch
Everything Will Be Ok von Rithy Panh
La ligne (The Line) von Ursula Meier
Leonora addio von Paolo Taviani
Les passagers de la nuit (The Passengers of the Night) von Mikhaël Hers
Nana (Before, Now & Then) von Kamila Andini
Peter von Kant von François Ozon
Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush von Andreas Dresen
Rimini von Ulrich Seidl
Robe of Gems von Natalia López Gallardo
So-seol-ga-ui Yeong-hwa (The Novelist’s Film) von Hong Sangsoo
Un año, una noche (One Year, One Night) von Isaki Lacuesta
Un été comme ça (That Kind of Summer) von Denis Côté
Yin Ru Chen Yan (Return to Dust) von Li Ruijun
Die Verleihung der goldenen und silbernen Bären findet am Mittwoch, den 16.02.2022, um 19 Uhr im Berlinale Palast statt. Den Goldenen Ehrenbären erhält die französische Film- und Theaterschauspielerin Isabelle Huppert.
„Ohne Kunst, ohne Kino fehlt der Demokratie die Stimme“, so die Staatsministerin für Kultur und Medien Claudia Roth in ihrer Eröffnungsrede.