Theater des Westens, Charlottenburg

Theater des Westens. Foto: Ulrich Horb
Theater des Westens. Foto: Ulrich Horb

Es ist ein prunkvoller Bau an der Kantstraße mit seinen Säulen, den Türmchen  und den zahlreichen Verzierungen. Thalia, Muse der komischen Dichtung und der Unterhaltung, empfängt die Gäste am Eingang. Seit 2002 wird das Haus von der Stage Entertainment für ihre Musical-Produktionen genutzt.

Theater des Westens, Dezember 2017. Foto: Ulrich Horb
Theater des Westens, Dezember 2017. Foto: Ulrich Horb

Mit dem Bau des Hauses erfüllte sich der Baumeister Bernhard Sehring einen kostspieligen Traum. Für 1,425 Millionen Reichsmark erwarb er ohne eigene Mittel 1895 den Kohlenplatz der Meierei Bolle an der Kantstraße 8 bis 10. Zusammem mit dem Bühnenautor Paul Blumenreich gründete er die Theater des Westens GmbH und begann zunächst noch ohne Genehmigung mit dem Bau des Theaters. „Dieser Bau soll  in Anbetracht der Gegend und der Nähe der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche nicht nur im Innern, sondern hauptsächlich im Äußeren ein Monumentalbau werden“, schreibt Sehring im März 1896 an den Bezirksausschuss Potsdam.

Im Herbst des Jahres sind Zuschauerraum und Bühnenhaus fertig. Sehring, dem eine Oper mit 3000 Plätzen vorschwebte, und der Theatermann Blumenreich, der ein Sprechtheater favorisierte, hatten sich auf einen Kompromiss geeinigt. Nun gab es 1700 Sitzplätze und rund 100 Stehpätze. Der Baustil, wilhelminscher Historismus,  machte Anleihen  an Barock, Renaissance und Jugendstil. Und wer heute auf der benachbarten Terrasse des Quasimodo sitzt, blickt auf eine mittelalterlich wirkende burgähnliche Hofseite des Theaters.

Theater des Westens: Hofseite. Foto: Ulrich Horb
Theater des Westens: Hofseite. Foto: Ulrich Horb

Der Kompromiss bei der Gestaltung des Theaterraums hatte Folgen: Technisch war der 3,5 Millionen Mark teure Bau weder für ein Sprechtheater noch für musikalische Aufführungen wirklich gut geeignet. Blumenreich, der zeitgleich bei einem anderen Theaterprojekt in Berlin künstlerisch und finanziell Schiffbruch erlitt, musste sich noch vor der Premiere aus dem Theater des Westens zurückziehen, um dem Ruf des neuen Hauses nicht zu schaden. Am 1. Oktober 1896 wurde das Haus mit dem innerhalb von zwei Wochen einstudierten Stück „1001 Nacht“ eröffnet.  Es wurde ein absoluter Misserfolg. Zudem zog es die Charlottenburger zum Theaterbesuch weiter eher ins benachbarte Berlin als an den Rand ihrer eigenen Stadt.

Musenfigur, Fassade des Theater des Westens. Foto: Ulrich Horb
Musenfigur, Fassade des Theater des Westens. Foto: Ulrich Horb

Die Reihe der Misserfolge endete erst 1899, als Max Hofpauer moderne Opern auf die Bühne brachte, die an der konservativen Berliner Hofoper nicht gespielt wurden. Zudem waren beeindruckende Gastspiele zu sehen. Das Konzept wurde auch unter wechselnder Intendanz beibehalten. 1905 gastierte der noch kaum bekannte Enrico Caruso am Theater des Westens.

Mit der 1905 in Berlin gegründeten Komischen Oper nahm die Konkurrenz zu, Sehrings Einnahmen sanken. Ab 1906 verpachtete er sein Haus  an Max Monti, der bereits in Berlin erfolgreich Operetten inszenierte.  Ein Brand zerstörte 1912 das Bühnenhaus, in viermonatiger Bauzeit musste es wieder instand gesetzt werden.  In den kommenden fast zehn Jahren blieb das Theater des Westens ein Operettenhaus, an dem u.a. Walter Kollo seine ersten Erfolge feierte. Von 1920 bis 1924 wurde das Haus auf Initiative eines von der Freien Volksbühne gegründeten Vereins zur „Großen Volksoper“ – mit anspruchsvollen Aufführungen für ein bildungsinteressiertes Publikum aus der Arbeiterschaft.

Gedenktafel für die Wilde Bühne. Foto: Ulrich Horb
Gedenktafel für die Wilde Bühne. Foto: Ulrich Horb

Im eigens dafür hergerichteten Keller zog von 1921 bis zu einem Brand zwei Jahre später das Kabarett „Wilde Bühne“ von Trude Hesterberg ein. Ein vorwiegend bürgerliches Publikum amüsierte sich hier. Für die Chansontexte der „roten Trude“ sorgten u.a. Kurt Tucholsky, Walter Mehring und Erich Kästner, für die Musik Werner Richard Heymann und Friedrich Hollaender, der hier ab ab 1931 das „Tingel-Tangel-Theater“ etablierte.

1929 übernahmen die Gebrüder Alfred und Fritz Rotter die Intendanz des Theaters des Westens. Mit dem Admiralspalast, dem Metropol, dem Theater an der Stresemannstraße und weiteren Häusern beherrschten sie Ende der zwanziger Jahre die Berliner Operetten-Szene. Die Machtübernahme der Nazis setzte dem ein Ende, ein großer Teil der Künstlerinnen und Künstler musste emigrieren. Robert Leys „Deutsche  Arbeitsfront“ ließ ab 1934  volkstümliche Opern inszenieren, Betreiber wurde das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda. 1944 wurde das Theater kriegsbedingt geschlossen.

Durchgang zum Hof des Theaters des Westens. Foto: Ulrich Horb
Durchgang zum Hof des Theaters des Westens. Darüber führte der einstige Hauptzugang, die Kaisertreppe, ins Theater des Westens. Foto: Ulrich Horb

Während die 1912 erbaute Opernhaus an der heutigen Bismarckstraße im Krieg zerstört wurde, war das Theater des Westens weitgehend unversehrt geblieben. In der Nachkriegszeit wurde das Haus so zur Notunterkunft des Opernensembles. 1950 erwarb der Bezirk Haus und Grundstück von den Erben Sehrings. Die Intendanten Heinz Tietjen und Carl Ebert sorgten für erfolgsreiche Spielzeiten  des nun einzigen West-Berliner Opernhauses, die 1961 in das inzwischen neu erbaute Opernhaus an der Bismarckstraße zurückzog.

Hans Wölffer, lange Jahre Intendant der Kömodie und des Theaters am Kurfürstendamm, übernahm das Theater des Westens 1961. Die Oper Rom gastierte mit vier Stücken am Haus. Dann kam der Durchbruch: Das Musical „My Fair Lady“ fand in den kommenden zwei Jahren etwa eine Million Zuschauer, etliche davon kamen als Berlinbesucher in die nun von einer Mauer durchzogene Stadt. Wölffer konnte diesen Erfolg allerdings nicht wiederholen.  Seine Forderung nach Subventionen lehnte der Senat ab.

Neuer Pächter wurde der Tenor Karl-Heinz Stracke. Mit ihm kamen wieder vorwiegend Operetten auf den Spielplan und viele noch immer namhafte Stars auf die Bühne, darunter Zarah Leander, Marika Rökk, Freddy Quinn oder Vico Toriani. Anfang der siebziger Jahre gab Stracke aus finanziellen Gründen auf.  Erneut übernahmen Hans Wölffer und seine Söhne Jürgen und Christian das Haus. Deren Unterpächter, die Brüder Eynar und Vincent Grabowsky, zeigten mit mehr oder weniger Erfolg „Anatevka“ und „Hallo Dolly“, das „Weiße Rössl“ oder die „Czardasfürstin“, gerieten aber 1976 ins Visier der Hamburger Staatsanwaltschaft, die wegen Subventionsbetrugs an einem dortigen Theater gegen sie ermittelte. Beide leiteten das Theater des Westen nun aus dem Ausland, bis sie von der Schweiz ausgeliefert wurden. Die Hoffnung, mit einem finanziellen Erfolg in Berlin alle Schulden loszuwerden, erfüllte sich nicht. 1978 endete die Ära Grabowsky mit der Pleite.

Theater des Westens. Foto: Ulrich Horb
Theater des Westens, Eingang. Foto: Ulrich Horb

Der Berliner Senat übernahm das Haus, stellte 9,9 Millionen Mark im Kulturhaushalt bereit und drei Millionen Mark als Anschubfinanzierung. Dennoch erwirtschaftete Intendant Karl Vibach weitere zwei Millionen Mark Defizit.  Götz Friedrich, seit 1981 Intendant der Deutschen Oper, übernahm 1984 auch das Theater des Westen, künstlerischer Direktor wurde Helmut Baumann. Gemeinsam sorgten sie u.a. mit „Guys and Dolls“ und „La Cage aux Folles für große Publikumserfolge.  1993 übernahm Baumann die Intendanz und setzte die Reihe der Erfolge fort. Dennoch hatte sich die Situation geändert: Mit der Einheit der Stadt verfügte Berlin über drei große Opernhäuser, für die Finanzierung eines Operetten- und Musicaltheaters fehlten die Mittel.  Die Zuschüsse sanken, Baumann gab 1999 auf. In der kurzen Ära von Intendant Elmar Ottenthal stiegen die Verluste, nur das Stück „Falco meets Amadeus“ erfüllte die Erwartungen. In der  Spielzeit 2001/2002 übernahm Georg Vierthaler, geschäftsführender Direktor der Staatsoper Unter den Linden, die Intendanz.

2002 trennte sich der Berliner Senat von der Betreibergesellschaft, die von der Stage Holding übernommen wurde, das Haus selbst blieb in Landesbesitz. Berlin sparte jährliche Zuschüsse von 10 Millionen Euro. Geld floss aber nicht in den Landeshaushalt: Der niederländische Musical-Konzern hatte zuvor das Metropol-Theater zum symbolischen Preis von einem Euro übernommen und trat angesichts des Sanierungsbedarfs von diesem Kauf zurück. Die im Metropol bereits getätigten Investitionen wurden nun verrechnet. Zudem investierte die Stage Holding rund zehn Millionen Euro in das Theater des Westens.  Im Zuschauerraum finden jetzt  rund 1600 Zuschauer Platz.

Inzwischen ist man bei der Stage-Holding, zu der auch das  – im August 2016 geschlossene – Musical-Theater am Potsdamer Platz und die Blue-Man-Group gehören, am Theater des Westens zu einem schnelleren Wechsel der Inszenierungen  übergegangen. Nach dem Udo-Jürgens-Musical „Ich war noch niemals in New York“ ist von Oktober 2015 bis Januar 2016 der Broadway-Erfolg „Chicago“ zu sehen. Im Januar 2016 kehrt das Udo-Jürgens-Musical zurück, ab Mai 2016 läuft nach 2006 und 2011 zum dritten Mal der „Tanz der Vampire“, das Musical nach dem Film von Roman Polanski. Ende 2017 ist das Musical „Ghost“ auf die Bühne gekommen, Vorlage ist wieder ein Film.

Das Theater des Westens bildet mit dem Kino Delphi, dem Lokal Quasimodo und der Vagantenbühne ein Ensemble.

Stage Theater des Westens
Kantstraße 12, 10623 Berlin
Website des Theaters des Westens
Ticket-Hotline: 01805 / 44 44 (14 Ct./Min. aus dem deutschen Festnetz, max. 42 Ct./Min. aus dem Mobilfunknetz, lt. Angaben der Stage Holding)

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