Kant-Kino: Legendäre Spielstätte

Kant-Kinos an der Kantstr. 54. Foto: Ulrich Horb
Kant-Kinos an der Kantstr. 54. Foto: Ulrich Horb

 

Charlottenburg war vor dem Ersten Weltkrieg noch eine eigene kleine Stadt vor den Toren Berlins mit einer selbstbewussten und wohlhabenden, kulturell interessierten Bürgerschaft. 1912 war an der heutigen Richard-Wagner-Straße ein Opernhaus errichtet worden, im selben Jahr, am 16. November,  eröffnete ein großes Kino an der heutigen Kantstraße 54, dort wo bereits seit 1905 ein kleines Ladenkino Filme vorgeführt hatte.  Damit gehört das Kant-Kino zu den ältesten Filmtheatern des heutigen Berlin.  Europäische Arthouse-Produktionen stehen hier auf dem aktuellen Programm, internationale Independentfilme, aber auch Dokumentationen und anspruchsvolle  Kinderfilme.

Heute befindet sich der Eingang zum Kino an der verkehrsreichen zwei Kilometer langen Kantstraße, zur Zeit der Entstehung gelangte man vom Hof aus in den großen Saal, der rund 800 Personen fasste und von Ernst Scharnke zwischen den Seitenflügeln  des Hauses errichtet worden war. Der rechteckige Zuschauerraum  der Kant-Lichtspiele verfügte anfangs noch über Rangbalkone an der Seite.

Zur Uraufführung zeigte man u.a. die Humoreske „Fritzchen und der dankbare Karpfen“, das Drama „O selig, ein Kind noch zu sein“ und die landschaftliche Studie „Leben und Treiben in Indien“.  Kapellmeister Alfred Günther sorgte für die musikalische Begleitung, ein Ernemann-Apparat projezierte die Bilder an die Leinwand. Der zeitgenössische Kritiker beschwerte sich u.a. über die zu starke Neigung des Bodens auf dem Rang und  eine den Balkonbesucher störende Deckenbeleuchtung mit offenen Lichtern.

1917 zahlten Kinobesucher zwischen 45 Pfennig und 1,50 Mark Eintritt. 1929 erfolgte ein erster Umbau, der den Zugang von der Straße durch das bisherige Foyer des Kant-Hotels ermöglichte.  1934 wurde zum zweiten Mal umgebaut.

Kant-Kinos an der Kantstr. 54. Foto: Ulrich Horb
Kant-Kinos an der Kantstr. 54. Foto: Ulrich Horb

Den Krieg überstanden die Kant-Lichtspiele, Inhaber blieben bis in die fünfziger Jahre Brandt & Deutsch. 1956 wurde der Saal erneut umgebaut, Hans Bielenberg stellte auf das breite Cinemascope-Verfahren um und ließ dafür die seitlichen Balkone abreißen, die Platzzahl verringerte sich geringfügig von 637 auf 623.  Im West-Berlin der siebziger Jahre hatte es das Kant-Kino abseits der großen Uraufführungs-Kinos am Kudamm schwer. 1975 übernahm Reinhard „Conny“ Konzack, gleichzeitig Konzertveranstalter,  den Betrieb und setzte auf Qualitätsfilme im Programm. Neben Musikfilmen nutzte er den Ort für Konzerte. 1976 trat hier die Band „Can“ auf, „Lok Kreuzberg“ spielte Politrock,  “Mink De Ville”, “The Jam”, “Ultravox” oder “The Police” gastierten im Kant-Kino. Punk und New Wave fanden eine Heimat. Marianne Faithful, Iggy Pop, David Bowie, Nick Cave, Joy Division, AC/DC,  Nina Hagen, Blondie, The Vibrators  oder Patti Smith sorgten dafür, dass die Kinobühne über Berlin hinaus einen legendären Ruf bekam.

1983 endete die Ära Konzack.  1988 wurde ein zweiter kleiner Kinosaal anstelle der bisherigen Garderobe gebaut, im Vorderhaus entstand zusätzlich „Kid im Kant“ mit nur 15 Plätzen (heute gibt es hier 22 Plätze als Saal 3). In der Kinoszene hatte das Kant einen guten Ruf. 1991 wurde der Filmpreis „Teddy“ , mit dem schwul-lesbische Filme während der Berlinale ausgezeichnet werden, im Kant-Kino verliehen.

1997 kamen zwei weitere Säle mit 59 bzw. 61 Plätzen im Vorderhaus dazu.  Der große Saal hat heute noch 369 Sitze.  Im Oktober 2001 drohte den Kant-Kinos die Schließung. Der damalige Betreiber Kinowelt  Medien AG, aus einem Göttinger Programmkino zwischenzeitlich zum fünftgrößten Filmrechtehändler der Welt aufgestiegen und ab 1998 am Neuen Markt notiert, hatte sich mit Krediten übernommen und wollte das Kant-Kino  aus wirtschaftlichen Gründen schließen. Die Kinowelt AG ging in die Insolvenz, das Kant-Kino machte nach kurzer Schließung im Januar 2002 weiter. Regisseur Wim Wenders engagierte sich dafür  ebenso wie Produzent Christoph Ott. Gemeinsam mit der „Kant und andere Kinos Betriebsgesellschaft mbH“ von Gerhard Groß und Burghard Voiges, die die Kinos in den Hackeschen Höfen betrieben, wurden sie Gesellschafter. Als  „Neue Kant Kinos“, so der Name bis 2009, wurde wieder ein anspruchsvolles Programm abseits des Mainstream angeboten.  Seit  2011 sind die Kant-Kinos im Verbund der Yorck-Kinogruppe, das blieben sie auch, als 2012 Heinz Lochmann neuer Besitzer wurde.

Kant Kino, Kantstr. 54, 10627 Berlin, Telefon: 030-319 98 66, https://www.yorck.de/kinos/kant-kino

Ein Gedanke zu „Kant-Kino: Legendäre Spielstätte“

  1. Hallo,
    Ich bin 65 Jahre alt, aus Süddeutschland und habe 1978 in Berlin gelebt.
    Ich habe im Kant Kino eines meiner größten Live Konzerte mit Cheap Trick erlebt, was ich nie vergessen werde.

    Es war einfach die geilste Location als die Musiker an einem vorbei liefen und auf die Bühne gingen.

    Schade dass es so etwas nicht mehr gibt.

    Henry

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