Dreifacher Hoffmann in der Komischen Oper

Komische Oper Berlin. Foto: Ulrich horb
Komische Oper Berlin. Foto: Ulrich Horb

Er war Jurist, Komponist, Schriftsteller und wurde die Hauptfigur einer phantastischen Oper: E.T.A. Hoffmann. Jacques Offenbach hat dem romantischen Literaten mit „Les Contes d’Hoffmann“ ein musikalisches Denkmal in fünf Akten gesetzt, das seinen Anfang in Hoffmanns Stammlokal „Lutter & Wegner“ in der Berliner Charlottenstraße 49 nimmt. Barrie Kosky, seit der Spielzeit 2012/13 Leiter der Komischen Oper Berlin, hat die im Februar 1881 – wenige Monate nach Offenbachs Tod – in Paris uraufgeführte Oper in einer eigenwilligen Inszenierung im Oktober 2015 auf die Bühne seines Hauses gebracht.

Über der Bühne schwebt eine große quadratische Plattform, leicht geneigt. Dicht an dicht stehen darauf glitzernd leere Wein-, Bier- und Schnapsflaschen. In ihrer Mitte thront der Dichter Hoffmann, der als Erzähler in Koskys Version „mit einer als dramaturgische Klammer fungierenden hinzugefügten Sprechrolle“ auftaucht.

Der erste Akt, eine Szene in der Weinstube von Lutter & Wegner, erzählt von der ebenso abgöttischen wie unglücklichen Liebe Hoffmanns zur Sängerin Stella, die gerade in Wolfgang Amadeus Mozarts Don Giovanni als Donna Anna auftritt. Hoffmann zecht mit Studenten, verliert sich in Träumen und Phantasien. Hoffmanns Muse müht sich, den Dichter vom Alkohol weg und zur Dichtung hin zu führen.

Trailer zur Aufführung der Komischen Oper bei YouTube.

Jules Barbier hat für Offenbach das Opernlibretto geschrieben, sein gemeinsam mit Michel Carré verfasstes und 1851 uraufgeführtes Schauspiel war die Grundlage dafür. Fünf Akte hat die Oper, drei von ihnen erzählen phantastische Geschichten E.T.A. Hoffmanns. Da ist die Erzählung von der Puppe Olympia, einer Schöpfung des Physikers Spalanzani. Olympias Augen konnte Spalanzani nicht selbst erschaffen, er kaufte sie dem sonderbaren Coppelius ab, prellte diesen aber um sein Geld. Coppelius ist es auch, der Hoffmann eine besondere Brille verkauft. Durch sie sieht der Dichter die Puppe in idealisierter Form und gesteht ihr seine Liebe. Aber der betrogene Coppelius zerstört Olympia.

Die Novelle Rat Krespel ist Grundlage des dritten Akts. Nachdem Krespels Frau an einer seltenen Krankheit verstorben ist, die vom Singen ausgelöst wird, verbietet er seiner Tochter die Musik. Doch der finstere Doktor Mirakel vermittelt Antonia die Illusion, ihre Mutter fordere sie zum Gesang auf. So stirbt auch Antonia – zur Bestürzung Hoffmanns.

Im vierten Akt um die Kurtisane Giulietta durchlebt Hoffmanns seine Geschichte vom verlorenen Spiegelbild. Chamissos Peter Schlemihl, der seinen Schatten verkaufte, ist sein Gegenspieler. Hoffmann, der Giulietta sein Spiegelbild überlässt, wird zum Mörder, tötet den Diener der Kurtisane, den diese wirklich geliebt hatte.

Schaukasten der Komischen Oper Berlin. Foto: Ulrich Horb
Schaukasten der Komischen Oper Berlin. Foto: Ulrich Horb

Die unterschiedlichen Geschichten werden miteinander verbunden, indem dieselbe Sängerin – je nach Besetzung Nicole Chevalier oder Sydney Mancasola – in die Rollen der Hauptfiguren Stella, Olympia, Antonia und Giulietta schlüpft. Vor allem ihre Darstellung der Puppe im Schrank fasziniert. Hoffmann selbst wird in der Inszenierung der Komischen Oper Berlin dagegen durch drei verschiedene Stimmen verkörpert – Ausdruck für den, so Kosky, „Alptraum eines Künstlers, der des eigenen Ichs mehr und mehr verlustig zu gehen droht“. Zudem gibt Kosky im ersten und zweiten Akt Hoffmann wieder – wie von Offenbach einst vorgesehen – die Stimme eines Bariton. Mit der zusätzlich eingeführten Sprechrolle will Kosky Hoffmann, den er im Original-Libretto als narzisstisch und „unglaublich unsympatisch“ empfindet, zu mehr Glaubwürdigkeit verhelfen. Er befreit ihn von selbstmitleidigen Texten und lässt ihn Originalsätze E.T.A. Hoffmanns rezitieren. Aber dieser sprechende Hoffmann unterbricht mitunter auch den Fluss der Oper.

Die ersten vier Akte hat Offenbach noch vor seinem Tod als Klavierauszug zu Papier gebracht. Um die Oper zur Aufführung zu bringen, beauftragte seine Witwe den Komponisten Ernest Guiraud, aus dem Material eine aufführungsfähige Partitur zu erarbeiten, die allerdings bis zur Uraufführung noch einiges an Veränderungen und Kürzungen durchlief. So gibt es bis heute eine Vielzahl unterschiedlicher Inszenierungen mit verschiedenartigen Interpretationen von Offenbachs Werk. „Die unendlichen Möglichkeiten, die dieses Stück durch seine besondere Materialsituation bietet, machen es so einzigartig“, sagt Kosky.

Drei Stunden und 5 Minuten begleiten Hoffmanns Erzählungen und Offenbachs mitreißende Musik die Zuschauerinnen und Zuschauer durch den Abend, mit phantastischen Geschichten und ebenso phantastischen Stimmen. Den durchschlagenden Erfolg seiner Komposition hat Offenbach nicht mehr erleben können, die Zuschauerinnen und Zuschauer der Komischen Oper können sich an ihr in einer ungewöhnlichen Fassung erfreuen.

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